Thomas Maurer: Die gute Nachricht

 

Foto: Ingo Pertramer

„Eine Entwicklung der letzten Jahre ist der Versuch den Glauben (an was auch immer) mit dem Wissen gleichzusetzen. Das ist natürlich Schwachsinn und brandgefährlich. Aber der Glauben ist in einer solchen Situation im Vorteil, weil wir alle verunsicherte Menschen in einer zunehmend schwer zu kontrollierenden Welt sind. Die Sehnsucht nach Gewissheit ist da verständlich. Doch dieser Sehnsucht nachzugeben ist nicht viel klüger als der Faulheit nachzugeben und nie wieder aus dem Bett zu steigen. Das ist schwierig und geht nur, wenn Du ausreichend Geld hast, um eine entsprechende Oblomow-Existenz zu führen. Aber sich wasserdicht gegen das Denken und damit die Verunsicherung abzuschotten, das funktioniert offenbar ganz gut. Wir haben ja einige sehr erfolgreiche politische Bewegungen in den letzten Jahren gesehen, die genau davon leben.

Eine Gesellschaft, in der der Glaube den Zweifel ablöst, ist langfristig zum Scheitern verurteilt, kann aber auf dem Weg dorthin unfassbare Schäden anrichten, die kaum wieder gut zu machen sind.  Irrsinn, Gewalt und Verblendung ganzer Gesellschaften gab es immer schon. Aber bis in die jüngere Vergangenheit hat die menschliche Spezies nicht die Fähigkeit gehabt, wirklich alles zu ruinieren. Das ist vorbei.

Warum die Leute so sind, wie sie sind, hat mich immer schon beschäftigt.  Wie kommen die Gedanken in meinen Kopf? Wie viel davon ist Konformität und Gruppendruck? Ist es überhaupt möglich, abstrakte Urteile zu treffen? Die gute Nachricht: Ja, es ist möglich. Man nennt den Prozess Wissenschaft. Die weniger gute Nachricht: Der Prozess ist sehr mühsam, weil alle Erkenntnisse vorläufig sind, bis sie durch neue Erkenntnisse ersetzt werden.  Ich bin ein großer Anhänger des Gedankens, dass es Wissenschaft und technologischen Fortschritt waren, die uns tief in den Morast der gegenwärtigen Gesellschaft geritten haben. Aber – und das ist entscheidend – ohne Wissenschaft und technologischen Fortschritt werden wir da nicht wieder rauskommen.“

Thomas Maurer ist Kabarettist. Für den Falter ist er „der mutmaßlich lustigste Mann Österreichs“. Mit seinem aktuellen Programm „Zeitgenosse aus Leidenschaft“ tourt er derzeit durch die heimischen Kleinkunstsäle. Die aktuellen Termine finden sich hier: https://thomasmaurer.at/de/termine