Kerosin95: „Queere* Identitäten sind in der Musik immer noch stark unterrepräsentiert“

Kathrin Kolleritsch wird um 01:00 als Kerosin95 die Stimmung in der Volkshalle mit politischem Rap anheizen. Im Interview spricht Kerosin über unsichtbare Identitäten und die Antithese zu hartem Gangsta-Rap.

Wenn Kathrin Kolleritsch, alias Kerosin95, auf die Bühne tritt, wird es schwierig, still stehen zu bleiben. Ansteckend energetisch hüpft Kerosin über die Bühne, die Stimme – die Kerosin etwa auch in der neuen
Kollaboration »My Ugly Clementine« gemeinsam mit Mira Lu
Kovacs (Schmieds Puls), Sophie Lindinger (Leyya) und Nastasja Ronck (Lucid Kid) unter Beweis stellt – leidet darunter aber nicht.
Denn Kerosin ist – laut Eigenbeschreibung in der Single „Außen
hart innen flauschig“ – „Nicht immer taktvoll, doch stets im
Rhythmus des Metronoms“. Über gesellschaftlichen Lärm
und das Spiel mit dem Unbequemen.

Deine Texte sind sehr spielerisch und witzig, gleichzeitig lässt
kein Song die entsprechende Gesellschaftskritik aus. Wie passt
das für Dich zusammen?
Für mich gehen Gesellschaftskritik, Humor, Ironie und ernstere Momente Hand in Hand. Damit zu spielen macht mir großen Spaß beim Texten. Und auf diese Weise kann ich auch kritisch sein – ob nun mir selbst oder der Welt gegenüber. Ich komme auf jeden Fall nicht ohne meinen Schmäh aus.

In einem Interview hast Du gemeint, dass »Wut« die treibende
Kraft hinter Kerosin95 ist. Was macht Dich im Moment am
wütendsten?
Für mich ist Wut eine der treibenden Kräfte, Kunst zu machen.
Ich würde jedoch nicht sagen, dass es die treibende Kraft ist. Mich
machen viele Dinge wütend: Momentane Machtverhältnisse, manche
Leute, die ihre Privilegien nicht hinterfragen wollen oder ignorieren,
und das Patriarchat generell eigentlich immer. Ich bin auch
oft wütend auf mich selbst, meine Gewohnheiten und Rassismen,
die tief verankert sind. Aber diese Wut ist für mich durchaus konstruktiv.
Sie hilft mir, die Welt und mich selbst besser zu verstehen
und Dinge anzupacken. Gelindert wird sie nicht, sondern eher in
Texte verwandelt. Mich durch diese Texte auszudrücken und laut zu
sein, gibt mir das Gefühl, etwas in mir verändern zu können.

Die österreichische Rap-Szene hat sich mit Acts wie Ebow, Keke
und EsRap auch geschlechtlich verändert. Du identifizierst
dich nicht als Frau. Wie sichtbar sind queere* Identitäten in der
Musikszene?
Es tut sich ein bissl was in Österreich, aber ich glaube, dass queere*
Identitäten in der Musiklandschaft immer noch stark unterrepräsentiert
sind. Festivals, Line-Ups oder zum Beispiel die Nominierung
für den Amadeus (österreichischer Musikpreis, Anm.) bleiben stark
weiß und cis-männlich dominierte Räume. Das ist schade und meiner
Meinung nach auch peinlich – denn es gibt so viele großartige
Künstler*innen, die nicht gesehen und gehört werden! Das Sichtbarmachen von queeren* Identitäten ist für alle wichtig und essentiell. Und es sollte die Aufgabe von allen sein, nicht nur von den betroffenen Personen selbst.

Interview: Katharina Kropshofer

Foto: Hannah Fasching

P.S: Das volle Interview finden Sie im Ballmagazin, welches am Ende der Ballnacht an alle Besucher*innen verteilt wird und am nächsten Morgen auch online zum Download bereit steht.